Kalkulatorischer Unternehmerlohn: Was er bedeutet und wie Sie ihn richtig berechnen

16.11.2025

Titeilbild Kalkulatorischer Unternehmerlohn: Was er bedeutet und wie Sie ihn richtig berechnen

Der kalkulatorische Unternehmerlohn ist das fiktive Gehalt, das Sie als Inhaber erhalten würden, wenn Sie als angestellter Meister in einem vergleichbaren Betrieb arbeiten würden. Er setzt sich zusammen aus einem Meistergehalt, einem Unternehmerzuschlag (20-50%) und Sozialabgaben (ca. 20%). Ohne diesen Wert können Sie weder Ihren Stundenverrechnungssatz korrekt kalkulieren noch den wahren Wert Ihres Betriebs ermitteln.

Der kalkulatorische Unternehmerlohn ist ein entscheidender Faktor bei der Bewertung Ihres Handwerksbetriebs – und doch wird er häufig missverstanden oder unterschätzt. Dabei ist er mehr als nur eine Rechengröße: Er zeigt, was Ihre Arbeitsleistung im eigenen Betrieb wirklich wert ist.

Was ist der kalkulatorische Unternehmerlohn?

Der kalkulatorische Unternehmerlohn berücksichtigt Ihre operative Tätigkeit im Betrieb – nicht Ihre Rolle als Kapitalgeber. Er ist ein fiktiver Wert für Kalkulationszwecke und beantwortet eine einfache Frage: Was würde es kosten, wenn jemand anderes Ihre Arbeit übernehmen müsste?

Denken Sie an den kalkulatorischen Unternehmerlohn wie an eine Messlatte: Sie zeigt Ihnen, ob Ihr Betrieb auch dann noch rentabel wäre, wenn Sie jemanden für Ihre Arbeit bezahlen müssten. Ohne diese Messlatte arbeiten Sie möglicherweise faktisch "umsonst" – auch wenn Ihr Betrieb auf dem Papier Gewinn macht.

Warum der kalkulatorische Unternehmerlohn entscheidend ist

Realistische Kostenrechnung

Viele Handwerksunternehmer begehen einen entscheidenden Fehler: Sie vergessen, ihre eigene Arbeitsleistung als Kostenposition einzurechnen. Das Ergebnis? Ein vermeintlich guter Gewinn, der bei genauerer Betrachtung verschwindet, sobald man die eigene Arbeitszeit realistisch bewertet.

Der kalkulatorische Unternehmerlohn sorgt dafür, dass Ihre persönliche Arbeitsleistung als das behandelt wird, was sie ist: ein Kostenfaktor, der bei der Preiskalkulation berücksichtigt werden muss.

Grundlage für die Betriebsbewertung

Wenn Sie Ihren Betrieb verkaufen oder übertragen möchten, spielt der kalkulatorische Unternehmerlohn eine zentrale Rolle. Er zeigt einem potenziellen Nachfolger, welche Personalkosten anfallen würden, wenn dieser Sie ersetzen müsste – entweder durch eine eigene vergleichbare Arbeitsleistung oder durch Anstellung einer Fachkraft.

Korrekte Preiskalkulation

Ihr Stundenverrechnungssatz muss alle Kosten decken – auch Ihre eigene Arbeitszeit. Der kalkulatorische Unternehmerlohn fließt in die Gemeinkosten ein und erhöht damit den Stundensatz, den Sie mindestens verlangen müssen, um kostendeckend zu arbeiten.

Die drei Bestandteile: Wie sich der kalkulatorische Unternehmerlohn zusammensetzt

Hier kommt häufig die Verwirrung auf: Der kalkulatorische Unternehmerlohn ist nicht mit dem Unternehmerzuschlag identisch. Der Unternehmerzuschlag ist nur ein Teil des Ganzen.

1. Basis: Das Meistergehalt

Der Ausgangspunkt ist das Gehalt, das ein angestellter Meister in Ihrer Branche verdienen würde. Orientieren Sie sich an tariflichen Werten oder branchenüblichen Gehältern in Ihrer Region.

Beispiel: Ein Meistergehalt liegt häufig zwischen 16-18 Euro pro Stunde, was etwa 33.000-38.000 Euro im Jahr entspricht.

2. Der Unternehmerzuschlag: Ihre Mehrleistung hat ihren Preis

Der Unternehmerzuschlag ist ein prozentualer Aufschlag auf das Meistergehalt. Er honoriert das, was Sie als Unternehmer zusätzlich zu einem angestellten Meister leisten:

Mehrarbeit – Sie arbeiten 55 Stunden statt 40 Stunden pro Woche

Verantwortung – Sie tragen das unternehmerische Risiko und führen Mitarbeiter

Planung und Disposition – Sie organisieren den Betrieb und akquirieren Kunden

Verwaltung – Sie kümmern sich um Buchhaltung, Behörden und Versicherungen

Nach dem AWH-Standard (Arbeitsgemeinschaft der Wert ermittelnden Betriebsberater im Handwerk) wird ein Unternehmerzuschlag zwischen 20% und 50% empfohlen. Die konkrete Höhe hängt von vier Faktoren ab:

Wöchentliche Mehrarbeit:

  • Bis 10 Stunden → 20-30%
  • 10-15 Stunden → 31-40%
  • Über 15 Stunden → 41-50%

Jahresumsatz:

  • Bis 1 Mio. Euro → 20-30%
  • 1-2,5 Mio. Euro → 31-40%
  • Über 2,5 Mio. Euro → 41-50%

Anzahl Mitarbeiter:

  • Bis 5 Mitarbeiter → 20-30%
  • 5-15 Mitarbeiter → 31-40%
  • Über 15 Mitarbeiter → 41-50%

Eigenkapitalrentabilität:

  • Bis 5% → 20-30%
  • 5-15% → 31-40%
  • Über 15% → 41-50%

Praxisbeispiel:

Sie führen einen Betrieb mit 8 Mitarbeitern, machen 1,5 Mio. Euro Umsatz und arbeiten 12 Stunden pro Woche mehr als ein angestellter Meister. Nach den Kriterien ergibt sich ein Unternehmerzuschlag von etwa 35%.

Bei einem Meistergehalt von 35.000 Euro beträgt der Unternehmerzuschlag: 35.000 Euro × 35% = 12.250 Euro

3. Sozialabgaben: Der Arbeitgeberanteil

Auf das Meistergehalt plus Unternehmerzuschlag kommen noch die Sozialabgaben, die ein Arbeitgeber zahlen müsste. Der AWH-Standard empfiehlt einen Zuschlag von etwa 20%, der folgende Positionen abdeckt:

  • Rentenversicherung (Arbeitgeberanteil)
  • Krankenversicherung (Arbeitgeberanteil)
  • Pflegeversicherung (Arbeitgeberanteil)
  • Arbeitslosenversicherung (Arbeitgeberanteil)

Vollständige Berechnung:

Meistergehalt: 35.000 Euro

  • Unternehmerzuschlag (35%): 12.250 Euro = Zwischensumme: 47.250 Euro
  • Sozialabgaben (20%): 9.450 Euro = Kalkulatorischer Unternehmerlohn: 56.700 Euro pro Jahr

In der Praxis wird häufig mit einem runden Wert von 50.000 Euro gearbeitet – das ist eine realistische Größenordnung für einen durchschnittlichen Handwerksbetrieb.

Warum der Unternehmerzuschlag begründet werden muss

Bei einer Betriebsbewertung oder Nachfolgeregelung reicht es nicht, einfach einen Prozentsatz festzulegen. Der Unternehmerzuschlag muss nachvollziehbar begründet werden.

Was Sie dokumentieren sollten:

Halten Sie über einen Monat Ihre tatsächliche Arbeitszeit fest und teilen Sie auf:

  • Produktive Zeit (direkt beim Kunden verrechenbar)
  • Dispositive Zeit (Angebote erstellen, Planung, Einkauf)
  • Führungszeit (Mitarbeitergespräche, Einarbeitung, Kontrolle)
  • Verwaltungszeit (Buchhaltung, Behörden, Versicherungen, Marketing)

So können Sie einem Nachfolger oder dessen Bank glaubhaft erklären, warum Sie beispielsweise 40% Unternehmerzuschlag ansetzen statt nur 25%.

Produktive und unproduktive Arbeitszeit: Die Aufteilung macht's

Nicht jede Stunde, die Sie arbeiten, ist direkt beim Kunden verrechenbar. Diese Unterscheidung ist wichtig für Ihre Kalkulation.

Produktive Arbeitszeit

Das sind die Stunden, die Sie direkt beim Kunden arbeiten und in Rechnung stellen können. Bei den meisten Inhabern liegt dieser Anteil zwischen 30-50% der Gesamtarbeitszeit.

Unproduktive Arbeitszeit

Alle anderen Stunden: Büroarbeit, Angebotserstellung, Disposition, Verwaltung, Akquise. Diese Zeit ist notwendig, aber nicht direkt verrechenbar.

Beispiel aus der Praxis:

Sie arbeiten 50 Stunden pro Woche, davon 20 Stunden direkt beim Kunden (40% Produktivität).

Bei 46 Arbeitswochen im Jahr (abzüglich Urlaub, Feiertage, Krankheit):

  • Gesamtarbeitszeit: 2.300 Stunden
  • Produktive Zeit: 920 Stunden
  • Unproduktive Zeit: 1.380 Stunden

Bei einem kalkulatorischen Unternehmerlohn von 50.000 Euro entfallen:

  • Auf produktive Zeit: 20.000 Euro (fließt in Ihren persönlichen Stundensatz)
  • Auf unproduktive Zeit: 30.000 Euro (wird als Gemeinkosten auf alle Stunden umgelegt)

Vom kalkulatorischen Unternehmerlohn zum Stundenverrechnungssatz

Der kalkulatorische Unternehmerlohn ist ein Baustein in Ihrer Gesamtkalkulation. So fügt er sich ein:

Ihre Gesamtkosten (Beispiel bei 50.000 Euro Unternehmerlohn):

  • Personalkosten inkl. Sozialabgaben: 204.000 Euro
  • Materialaufwand: 103.000 Euro
  • Betriebskosten (Miete, Versicherungen, Fahrzeuge): 42.000 Euro
  • Kalkulatorische Abschreibungen: 15.000 Euro
  • Kalkulatorischer Unternehmerlohn: 50.000 Euro
  • Kalkulatorische Zinsen: 5.000 Euro
  • Kalkulatorisches Wagnis: 11.000 Euro

Gesamtkosten: 430.000 Euro

Davon Material: 103.000 Euro Zu deckende Kosten durch Stundenverrechnungssätze: 327.000 Euro

Bei 8.800 verrechenbaren Gesamtstunden im Betrieb: 327.000 Euro ÷ 8.800 Std. = 37,16 Euro pro Stunde (Mindestverrechnungssatz ohne Gewinn)

Hinzu kommt Ihr gewünschter Gewinn (z.B. 20.000 Euro pro Jahr): 20.000 Euro ÷ 8.800 Std. = 2,27 Euro

Mindestverrechnungssatz: 39,43 Euro pro Stunde

Häufige Fehler beim kalkulatorischen Unternehmerlohn

Zu niedrig angesetzt

"Ich brauche doch nicht so viel zum Leben" – dieser Gedanke führt zu systematischer Unterbewertung. Der kalkulatorische Unternehmerlohn hat nichts mit Ihren privaten Lebenshaltungskosten zu tun, sondern mit dem Marktwert Ihrer Arbeitsleistung.

Verwechslung mit dem tatsächlichen Gehalt

Der kalkulatorische Unternehmerlohn ist kein Gehalt, das Sie sich auszahlen. Es ist eine Rechengröße für die Kalkulation. Ihr tatsächliches Einkommen setzt sich zusammen aus Entnahmen und dem erwirtschafteten Gewinn.

Vermischung mit Gewinn

Der kalkulatorische Unternehmerlohn ist kein Gewinn, sondern ein Kostenbestandteil. Der Gewinn kommt erst darüber hinaus und steht Ihnen als Verzinsung Ihres eingesetzten Kapitals und als Risikoprämie zu.

Unternehmerzuschlag nicht begründet

Ein willkürlich festgelegter Unternehmerzuschlag wird bei Verhandlungen oder Bewertungen nicht akzeptiert. Dokumentieren Sie Ihre tatsächliche Mehrleistung.

Nicht aktualisiert

Löhne steigen – auch der kalkulatorische Unternehmerlohn sollte regelmäßig angepasst werden. Eine Überprüfung alle 2-3 Jahre ist empfehlenswert.

Wie der kalkulatorische Unternehmerlohn in die Betriebsbewertung einfließt

Bei der Bewertung Ihres Betriebs nach dem Ertragswertverfahren spielt der kalkulatorische Unternehmerlohn eine zentrale Rolle. Er wird vom Betriebsergebnis abgezogen, bevor der eigentliche Unternehmenswert berechnet wird.

Vereinfachtes Beispiel:

Betriebsergebnis vor Steuern (Durchschnitt der letzten 3 Jahre): 120.000 Euro

  • Kalkulatorischer Unternehmerlohn: 50.000 Euro
  • Steuern (30% pauschal): 21.000 Euro = Bereinigtes Betriebsergebnis: 49.000 Euro

Dieses bereinigte Betriebsergebnis wird mit einem Kapitalisierungsfaktor multipliziert (z.B. Faktor 10 bei 10% Kapitalisierungszinssatz):

49.000 Euro × 10 = 490.000 Euro Unternehmenswert

Ohne Ansatz des kalkulatorischen Unternehmerlohns würde der Wert deutlich höher erscheinen – aber unrealistisch, denn der Nachfolger müsste ja jemanden für diese Arbeit bezahlen.

Praktischer Praxistipp zur Dokumentation

Erstellen Sie ein einfaches Zeiterfassungssystem für einen Monat:

Woche 1-4: Täglich notieren

  • Stunden beim Kunden (produktiv)
  • Stunden Angebotserstellung
  • Stunden Büroarbeit
  • Stunden Mitarbeiterführung
  • Stunden Akquise

Am Monatsende haben Sie eine solide Grundlage, um Ihren Unternehmerzuschlag zu begründen und Ihre Produktivität realistisch einzuschätzen.

Häufig gestellte Fragen

Ist der kalkulatorische Unternehmerlohn das Gleiche wie mein Gehalt?

Nein. Es ist ein fiktiver Wert für Kalkulationszwecke. Ihr tatsächliches Einkommen setzt sich aus Entnahmen, Gewinn und möglicherweise einem Geschäftsführergehalt zusammen.

Wie hoch sollte der kalkulatorische Unternehmerlohn sein?

Orientieren Sie sich am Gehalt eines angestellten Meisters in Ihrer Branche plus 20-50% Unternehmerzuschlag plus 20% Sozialabgaben. In der Praxis liegen Werte zwischen 45.000 und 65.000 Euro pro Jahr.

Was ist der Unterschied zwischen kalkulatorischem Unternehmerlohn und Unternehmerzuschlag?

Der Unternehmerzuschlag ist nur ein Bestandteil des kalkulatorischen Unternehmerlohns. Die Formel lautet: Kalkulatorischer Unternehmerlohn = Meistergehalt + Unternehmerzuschlag + Sozialabgaben.

Wie begründe ich meinen Unternehmerzuschlag?

Dokumentieren Sie Ihre wöchentliche Mehrarbeit, Ihren Umsatz, die Mitarbeiterzahl und die Eigenkapitalrentabilität. Diese vier Faktoren bestimmen nach dem AWH-Standard die Höhe des Zuschlags zwischen 20% und 50%.

Was passiert, wenn ich den kalkulatorischen Unternehmerlohn nicht berücksichtige?

Sie kalkulieren zu günstig, arbeiten faktisch umsonst und Ihr Betrieb erscheint bei einer Bewertung weniger wertvoll, weil der Nachfolger höhere Personalkosten einplanen muss.

Ändert sich der kalkulatorische Unternehmerlohn über die Jahre?

Ja, er sollte sich an der allgemeinen Lohnentwicklung orientieren und alle 2-3 Jahre angepasst werden. Auch Veränderungen in Ihrem Betrieb (mehr Mitarbeiter, höherer Umsatz) rechtfertigen eine Anpassung des Unternehmerzuschlags.

Gilt der kalkulatorische Unternehmerlohn auch für GmbHs?

Bei einer GmbH wird das tatsächliche Geschäftsführergehalt mit dem kalkulatorischen Unternehmerlohn verglichen. Weicht es deutlich ab, muss bei der Bewertung eine Korrektur vorgenommen werden, um eine objektive Vergleichbarkeit herzustellen.

Fazit: Der kalkulatorische Unternehmerlohn ist mehr als nur eine Zahl

Der kalkulatorische Unternehmerlohn zwingt Sie, ehrlich hinzuschauen: Was ist meine Arbeitsleistung wert? Erst wenn Sie diese Frage beantworten können, wissen Sie, ob Ihr Betrieb wirklich rentabel ist – oder ob Sie im Grunde zu einem unter Marktwert liegenden Gehalt arbeiten.

Die richtige Berechnung – bestehend aus Meistergehalt, einem begründeten Unternehmerzuschlag und Sozialabgaben – schützt Sie vor Unterdeckung bei der Preiskalkulation und schafft Transparenz bei einer möglichen Betriebsübergabe.

Denken Sie an den kalkulatorischen Unternehmerlohn wie an ein solides Fundament: Man sieht es nicht direkt, aber ohne geht nichts. Er ist die Basis für realistische Preise, eine faire Betriebsbewertung und langfristige Rentabilität.